Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung während der Mietzeit unverjährbar

BGH · Urteil vom 17. Februar 2010 · Az. VIII ZR 104/09

Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung während der Mietzeit unverjährbar

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 9. April 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin ist seit 1959 Mieterin einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, das die Beklagten im Jahr 1997 erworben haben. Das über der Wohnung der Klägerin liegende Dachgeschoss wurde im Jahr 1990 zu Wohnzwecken ausgebaut.

Mit Schreiben vom 13. August 2002 verlangte die Klägerin von den Beklagten die Herstellung einer ausreichenden Schallschutzisolierung der Dachgeschosswohnung, verfolgte ihr Begehren aber nach einem Mieterwechsel in dieser Wohnung zunächst nicht weiter. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 kam die Klägerin auf ihr Begehren zurück und ließ im Jahr 2007 ein selbständiges Beweisverfahren durchführen.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Verbesserung des Trittschallschutzes in der Dachgeschosswohnung und Minderung der WC-Geräusche (Wasserspülung und Toilettendeckel) in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Beklagten seien zur Vornahme der von der Klägerin verlangten Arbeiten zur Verbesserung des Schallschutzes aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichte den Vermieter, die Mietsache während der gesamten Mietzeit in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten. Diese Unterhaltungspflicht betreffe insbesondere die Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache sowie die Pflicht zur Unterlassung und Abwehr von Störungen des Mietgebrauchs. Der Mietgebrauch der Klägerin werde durch die unzureichende Lärm- und Schalldämmung in der darüber liegenden Wohnung beeinträchtigt. Der im Beweissicherungsverfahren beauftragte Sachverständige habe bestätigt, dass die Trittschalldämmung unzureichend sei und auch die Geräusche, die von der WC-Spülung in der Dachgeschosswohnung ausgingen, die zulässigen Grenzwerte überstiegen.

Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt. Die dreijährige regelmäßige Verjährung sei nicht abgelaufen, weil es sich bei dem Anspruch auf Herstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands der Mietsache um einen echten, auf dauernde Leistung gerichteten Erfüllungsanspruch handele. Mit dem Begriff „gewähren“ in § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB werde verdeutlicht, dass die Pflicht des Vermieters nicht nur in der einmaligen Handlung des Überlassens bestehe, sondern der Vermieter während der gesamten Mietzeit dem Mieter den vertraglichen Gebrauch ermöglichen müsse und deshalb auch zu einem positiven Tun, nämlich der Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand verpflichtet sei. Dieser Anspruch sei kein vom Erfüllungsanspruch losgelöster Anspruch, sondern vielmehr eine präzisierte Ausprägung desselben.

Die Gegenansicht, die den Anspruch des Mieters auf Gebrauchserhaltung als „Stammrecht“ ansehe, das sich zu einzelnen jeweils gesondert verjährenden Ansprüchen konkretisiere, sobald sich ein Mangel zeige, sei abzulehnen. Auch der Zweck der Verjährungsvorschriften, den Schuldner vor einer Inanspruchnahme aus unerwarteten Forderungen zu schützen, gegen die er sich wegen Zeitablaufs nicht adäquat verteidigen könne, sei hier nicht betroffen, weil sich der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands auf einen aktuellen Zustand beziehe und deshalb die Gefahr einer Beweisnot durch Zeitablauf für den Vermieter nicht bestehe. Es sei auch wenig konsequent, dem Mieter mit der Minderung ein Gewährleistungsrecht wegen der Mangelhaftigkeit der Sache zu gewähren, wenn er eine mangelfreie Sache überhaupt nicht mehr fordern könne.

Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verwirkt. Dass die Klägerin über mehrere Jahre die Verbesserung des Schallschutzes nicht mehr begehrt habe, genüge nicht, zumal für die Beklagten erkennbar gewesen sei, dass die Situation durch den Mieterwechsel im Dachgeschoss nicht gleich geblieben sei.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Schallschutz der über der Wohnung der Klägerin liegenden Dachgeschosswohnung unzureichend und wird der Mietgebrauch der Klägerin dadurch beeinträchtigt. Die Klägerin kann deshalb aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich Herstellung des erforderlichen Schallschutzes verlangen.

2. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Anspruch nicht verjährt.

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Erfüllungsanspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB, soweit es um die Beseitigung eines konkreten während der Mietzeit auftretenden Mangels geht, verjährt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und wird in der Literatur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte unterschiedlich beurteilt.

a) Der Bundesgerichtshof hat bislang lediglich für den Fall eines (unbefristeten) Pachtvertrages entschieden, dass die Verjährung des Erfüllungsanspruchs des Pächters auf dauernde Gewährung des Gebrauchs und des Fruchtgenusses jedenfalls nicht schon mit der erstmaligen Entstehung beginnt (Urteil vom 26. April 1995 – XII ZR 105/93, NJW 1995, 2548, unter 2 c). Die dort erörterte weitere Frage, ob die Verjährung in solchen Fällen in analoger Anwendung des § 198 Satz 2 BGB aF (jetzt § 199 Abs. 5 BGB) mit der Zuwiderhandlung beginnt, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung, da auch in diesem Fall keine Verjährung eingetreten war.

b) Nach einer verbreiteten Auffassung beginnt die Verjährung des Anspruchs des Mieters auf Beseitigung eines während der Mietzeit aufgetretenen Mangels gemäß §§ 195, 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Mangel entstanden ist und der Mieter davon Kenntnis erlangt hat (LG Berlin, GE 2008, 1196, 1197; Feuerlein, WuM 2008, 385, 386; Beuermann, GE 2008, 236; Schmid, ZMR 2009, 585, 586; Lehmann-Richter, NJW 2008, 1196, 1197 f.; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., XIII Rdnr. 221). Teilweise wird in der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters (§ 535 BGB) ein (unverjährbares) „Stammrecht“ gesehen, das sich zu einzelnen Ansprüchen konkretisiere, sobald sich ein bestimmter Mangel zeige. Der Anspruch des Mieters auf Beseitigung des konkreten Mangels unterliege dann der regelmäßigen Verjährung (Lehmann-Richter, aaO, S. 1198). Andere Autoren stellen auf eine analoge Anwendung des § 199 Abs. 5 BGB (§ 198 BGB aF) ab; bei der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters handele es sich um eine „positive Dauerverpflichtung“, bei der es ebenso wie bei einer Unterlassungsverpflichtung nach § 199 Abs. 5 BGB geboten sei, für den Beginn der Verjährung auf die Zuwiderhandlung abzustellen (Feuerlein, aaO, S. 386; Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., § 232 Fn. 5).

c) Nach der auch vom Berufungsgericht vertretenen Gegenauffassung ist der Anspruch des Mieters auf Beseitigung eines Mangels als Teil des Gebrauchserhaltungsanspruchs hingegen während der Mietzeit unverjährbar (Streyl, WuM 2009, 630 f.; Both, GE 2009, 238, 239; Schmidt-Futterer/ Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 535 BGB Rdnr. 217; Palandt/Weidenkaff, BGB, 69. Aufl., § 535 Rdnr. 31; MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 535 Rdnr. 107; Kandelhard in: Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 3. Aufl., § 548 Rdnr. 64; AG Tiergarten, WuM 2009, 453). Zur Begründung wird vor allem angeführt, dass der Anspruch des Mieters auf Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs während der Dauer des Mietverhältnisses ständig neu entstehe.

d) Der letztgenannten Auffassung gebührt der Vorzug. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, handelt es sich bei der Hauptleistungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine in die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung (Senatsurteil vom 19. Juni 2006 – VIII ZR 284/05, NZM 2006, 696, Tz. 11). Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass sich diese Pflicht des Vermieters nicht in einer einmaligen Handlung des Überlassens erschöpft, sondern dahin geht, die Mietsache während der gesamten Mietzeit in einem gebrauchstauglichen Zustand zu erhalten. Eine solche vertragliche Dauerverpflichtung kann während des Bestehens des Vertragsverhältnisses schon begrifflich nicht verjähren, denn sie entsteht während dieses Zeitraums gleichsam ständig neu, auch soweit sie darauf gerichtet ist, bereits aufgetretene Mängel zu beseitigen. Ohne Erfolg beruft sich die Revision deshalb auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die zur Verjährung von Ansprüchen aus § 1004 BGB wegen einer in der Vergangenheit liegenden (einmaligen) Verletzungshandlung ergangen sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1973 – I ZR 136/71, NJW 1973, 2285 zum wettbewerbsrechtlichen Widerrufsanspruch, sowie BGHZ 60, 235, zum Anspruch auf Beseitigung einer nahe der Grundstücksgrenze gepflanzten Birke). Danach steht zwar bei abgeschlossenen Verletzungshandlungen der Umstand, dass der Eingriff noch fortwirkt, dem Beginn der Verjährung nicht entgegen. Bei Dauerhandlungen kann die Verjährung jedoch ebenfalls nicht beginnen, solange der Eingriff noch andauert (BGH, Urteil vom 23. September 1973, aaO, unter I).

Dem Berufungsgericht ist ferner darin beizupflichten, dass auch Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften nicht für eine Verjährung des Mangelbeseitigungsanspruchs im laufenden Mietverhältnis sprechen. Die Verjährung soll den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm Beweismittel für etwa begründete Einwendungen abhanden gekommen oder Zeugen nicht mehr auffindbar sind (BGHZ 122, 241, 244). Diese Erwägungen treffen auf den Anspruch des Mieters auf Beseitigung von Mängeln der Mietsache nicht zu. Eine Beweisnot des Vermieters im Hinblick auf den Zeitablauf seit dem erstmaligen Auftreten des Mangels ist auszuschließen, da das Begehren des Mieters lediglich dahin geht, die Mietsache aktuell in einen gebrauchstauglichen Zustand zu versetzen und es mithin nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Zustand ankommt. Deshalb greift der von der Revision angeführte Gesichtspunkt des Rechtsfriedens ebenfalls nicht ein, zumal der Mieter – auch nach der Auffassung, die von einer Verjährung der Mängelbeseitigungsansprüche des Mieters ausgeht (Lehmann-Richter, aaO; Feuerlein, aaO, Schmid, aaO), die Miete mindern kann, soweit Mängel fortbestehen. Die fortbestehende Mietminderung im Hinblick auf Mängel, deren Behebung der Vermieter durch Erhebung der Verjährungseinrede soll verweigern können, führt im Übrigen zu einem Wertungswiderspruch, der ebenfalls gegen die Auffassung von der Verjährbarkeit des Mangelbeseitigungsanspruchs im laufenden Mietverhältnis spricht.

3. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anspruch der Klägerin auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass zu dem Zeitablauf besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rspr., z.B. BGHZ 105, 290, 298). Derartige Umstände, die ein Vertrauen der Beklagten rechtfertigen, die Klägerin werde eine Verbesserung des Schallschutzes auch in Zukunft nicht mehr verlangen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; übergangenen Sachvortrag hierzu in den Tatsacheninstanzen zeigt die Revision nicht auf.

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